Ein Tag bei PAPATYA

Morgens um acht Uhr weckt die Betreuerin Maya, die über Nacht geblieben ist, die Mädchen. Rund um die Uhr ist eine Betreuerin in der Wohnung. Um halb neun sitzen alle am Frühstückstisch, reden darüber wie sie geschlafen haben und besprechen, wer heute raus geht oder Termine hat. Jasmin ist noch sehr müde. Es war ihre erste Nacht bei PAPATYA und sie ist froh, dass sie nicht alleine in einem Zimmer schlafen musste. Die große Wohnung hat Platz für acht Mädchen in einem Einzelzimmer, zwei 2-Bett-Zimmern und einem 3-Bett-Zimmer. Mit ihrer Bettnachbarin Sara hat sie die halbe Nacht geredet.

Gestern wurde Jasmin von ihrer Lehrerin zum Jugendnotdienst begleitet und dann zu PAPATYA gebracht. Ihr Bruder hatte sie in der Schule mit einem Jungen beobachtet und nun hat sie große Angst, was passiert, wenn ihre Eltern davon erfahren. Zuhause gab es auch vorher schon Stress. Beim Jugendnotdienst hat sie mit einer Mitarbeiterin von PAPATYA telefoniert, die ihr die Regeln erklärte: Jedes Mädchen muss ihr Handy abgeben, darf die Adresse der Wohnung niemandem verraten, darf keinen Besuch bekommen und nur nach Absprache rausgehen. Spätestens zum gemeinsamen Abendessen müssen alle zurück sein. Vom Mädchentelefon aus kann jede Bewohnerin telefonieren, außerdem den Computer benutzen. Selbst sind die Mädchen aber nicht mehr erreichbar. Jasmin hat die Regeln akzeptiert, weil ihr wichtig ist, in Sicherheit zu sein.
Sara hat keinen Appetit. Sie ist aufgeregt, weil sie heute Vormittag im Jugendamt ihre Eltern treffen wird. Am Telefon hat ihre Familie geweint und beteuert, dass sie sich ändern werden. Sie meinten, dass bisher noch niemand weiß, dass Sara weg ist. Wenn Sara wieder nach Hause kommt, wollen sie neu anfangen, so als sei nie etwas geschehen. Sara ist sich unsicher ob ihre Eltern sich wirklich verändern können. Sie ist froh, dass zwei Betreuerinnen sie zum Gespräch begleiten.

Um neun Uhr kommt Dana, die bei PAPATYA für den Haushalt, das Kochen und Einkaufen zuständig ist und setzt sich mit an den Frühstückstisch. Zwei Mädchen räumen den Tisch ab und die Spülmaschine ein. Jede muss im Haushalt Aufgaben übernehmen, wöchentlich werden die Dienste neu verteilt. Die Mädchen, die Mittagsdienst haben, besprechen mit Dana, was sie später gemeinsam kochen wollen. Danach verteilen die Mädchen sich. Sara geht duschen, zwei Mädchen gehen mit Dana einkaufen. Jasmin bleibt mit zwei anderen in der Küche am großen Tisch sitzen. Sie hören Musik und spielen Karten. Jasmin lernt die anderen Mädchen ein bisschen besser kennen. Sie hätte nie gedacht, dass es andere gibt, die zu Hause Ähnliches erlebt haben wie sie.

Um zehn Uhr
geht Maya nach Hause und neue Mitarbeiterinnen kommen in den Dienst: Johanna, Sevda und Shirin, die Praktikantin. Kurz danach muss Sara mit Johanna und Shirin los zum Elterngespräch im Jugendamt.
Sevda bittet Jasmin für ein Aufnahmegespräch ins Beratungszimmer und Jasmin erzählt ihr von ihrem Leben, ihrer Familie und warum sie von zuhause weggelaufen ist. Sevda erklärt Jasmin, wie es jetzt weitergeht: Sie wird mit dem zuständigen Jugendamt einen Kennenlerntermin ausmachen. Zu diesem Termin wird Jasmin begleitet. Außerdem wird Sevda in der Schule von Jasmin Bescheid sagen, dass sie erstmal nicht mehr kommen kann. Weder Schule, noch Jugendamt, noch Eltern werden Jasmins genauen Aufenthaltsort erfahren. Sie wird Ruhe und Zeit haben, nachzudenken wie ihr Leben weitergehen soll.

Gegen halb eins gibt es Mittagessen, mitten rein platzen Sara, Johanna und Shirin. Alle wollen wissen, wie das Elterngespräch war. Sara ist erleichtert, dass sie es hinter sich hat und stolz, weil sie es geschafft hat, ihrem Vater ins Gesicht zu sagen, was sie zu Hause nicht ausgehalten hat. Ihr Vater hat angeboten, dass sie bei ihrem Onkel wohnen kann. Wenn Sara sich dagegen entscheidet, wird das Jugendamt ihre Eltern um Zustimmung bitten, Sara in einer Wohngruppe unterzubringen. Sara glaubt nicht, dass ihre Eltern das akzeptieren würden. Wenn das passiert, kann sie mit Hilfe von PAPATYA einen Antrag beim Vormundschaftsgericht stellen. Sara hofft, dass ihr Vater lieber unterschreibt, als einen Gerichtstermin zu riskieren.

Nach dem Mittagessen
haben es viele Mädchen eilig. Ab 14 Uhr können sie rausgehen.
Jasmin soll heute noch zuhause bleiben. Sevda möchten erst abwarten, wie ihre Eltern beim Jugendamt auftreten. Jasmin hat selbst auch zu viel Angst, um rausgehen zu wollen. Sie will ihre beste Freundin anrufen und nachfragen, ob die Eltern sie in der Schule gesucht haben. Jasmin fragt Sevda, ob sie auch ein Elterngespräch haben muss. Sevda meint, dass sich das jetzt noch schwer einschätzen lässt, dass Jasmin aber immer an der Planung der nächsten Schritte beteiligt sein wird.
Ab 15 Uhr können die Mädchen fernsehen, aber heute findet Jasmin es viel spannender, mit Amina auf dem Balkon zu sitzen und über ihren Freund zu sprechen. Die Zeit vergeht schnell und plötzlich ist es 19 Uhr und die anderen kommen alle zurück. Auch Nora kommt – die Betreuerin, die den Nachtdienst hat.

Um 19 Uhr gibt es Abendessen. Nach dem Abendessen bleibt ein Teil der Mädchen zum Basteln mit Nora in der Küche, andere sehen fern oder telefonieren vom Mädchentelefon aus. Um 22.30 Uhr schickt Nora alle in ihre Betten. Jasmin fühlt sich nicht mehr so fremd in ihrem Zimmer. Sie flüstert noch lange mit Sara, bevor sie einschlafen.